Wie gehen die Verantwortlichen für das Tourismusmarketing in Südtirol, Tirol, dem Trentino und Venetien mit der aktuellen Krise um? Was ist die Strategie, die sie verfolgen, um die jeweiligen Urlaubsdestinationen fit für einen Reisemarkt zu machen, der nun von Unsicherheit geprägt ist? Wir haben uns umgehört.
… aus der Sicht von
Wolfgang Töchterle
Marketingdirektor von IDM
„Nach dem koordinierten Herunterfahren des Tourismus in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Provinz, dem Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV), dem Landesverband der Tourismusorganisationen (LTS), dem Südtiroler Bauernbund, dem Verband der Privatvermieter (VPS) und dem Verband der Seilbahnunternehmer haben wir in Abstimmung mit dem Verwaltungsrat und den Vertretern der Wirtschaft konkrete Maßnahmenpakete für die Sektoren Tourismus, Landwirtschaft und die Wirtschaft im Allgemeinen erarbeitet. Für die Umsetzung der Maßnahmenpakete hat die Südtiroler Landesregierung 33,5 Millionen Euro bereitgestellt. Das Maßnahmenpaket für den Tourismus beschreibt drei Phasen. Integrativer Teil von Phase 1 ist die Dialogkampagne #alleswaswirlieben, mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen Hotelgast und Gastgeber zu stärken.

IDM Südtirol setzt auf Kommunikationskampagnen und interdisziplinäre Arbeitsgruppen
In Phase 2 starten wir eine große Kommunikationskampagne, die sowohl den Lebensraum Südtirol auf Markenebene als auch die Qualitätsprodukte unserer Region auf Sektorenebene auf die Bühne unserer Kernmärkte heben wird. Parallel dazu laufen die Vorbereitungen für Phase 3, sprich die Wiedereröffnung Südtirols. Diverse Arbeitsgruppen arbeiten in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie, Bergbahnen, Mobilität, Freizeitanbieter, etc. an den entsprechenden Agenden. Das Wichtigste dabei ist die Sicherheit der Südtiroler und unserer Gäste. Arbeiten wir jetzt nicht sauber, könnte das zum Wiederaufflammen einer Corona-Welle führen und somit zu katastrophalen Folgen für die gesamte Wirtschaft.
Darüber hinaus arbeiten wir an zahlreichen Agenden, die Südtirol langfristig weiterbringen und auch zukunftsfähig machen werden. Über diese werden wir mittelfristig die wahren Effekte von Corona sichtbar machen können. Sicher ist, dass Südtirol morgen deutlich stärker dastehen wird, als es vor der Corona-Krise der Fall war. Ich freue mich sehr auf diese neue Zukunft.“
Dieses Interview wurde am 27.04.2020 geführt.
… aus der Sicht von
Maurizio Rossini
Geschäftsführer Trentino Marketing
„Bisher wurde die strategische Positionierung des Trentino über das Produkt selbst und nicht nur über die Kommunikation aufgebaut. Dies ist im Tourismus nicht immer der Fall. Unser Produkt, sprich unsere Destination stützt sich auf zwei Pfeilern: auf die außergewöhnliche Natur, die unser eigentlicher Reichtum ist und eine sehr starke Anziehungskraft ausübt, und auf den Einsatz von zahlreichen kleinen Familienbetrieben, die in der Lage sind, eine solide und dauerhafte Bindung zum Gast aufzubauen. Diese beiden Säulen, der naturalistische Kontext und die authentische Gastfreundschaft, werden dann durch eine dritte, nicht minder wichtige Säule ergänzt. Gemeint ist die ‚italianità‘, sprich unsere Art zu leben. Dies schließt Bräuche, Beziehungen und Genussmomente in Verbindung mit der Mischung aus alpiner Tradition und mediterraner Herzlichkeit mit ein. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Positionierung auch in die aktuelle Krisensituation zu übertragen.
Es besteht keine Notwendigkeit, neue touristische Produkte zu entwickeln, da das Trentino bereits das bietet, was der Gast sucht: Wildparks, unberührte Landschaften, dünn besiedelte Dörfer, die Möglichkeit, jede Sportart oder körperliche Tätigkeit auf großen Freiflächen auszuüben. Es ist aber erforderlich, das bestehende Angebot mit maximaler Sicherheit zu begleiten. Dies sollte auch in der Werbekommunikation berücksichtigt werden, die nicht nur emotional, sondern auch informativ sein muss.

Trentino Marketing setzt auf die Anziehungskraft der Landschaft und auf eine digitale Anlaufstelle für Tourismustreibende
Die Mittel, die das Trentino Marketing den Hoteliers zur Verfügung stellt, wurden im Trentino Suite Digital Hub zusammengefasst, einem seit 15. April erhältlichen Toolkit. Darin enthalten sind u.a. Themen wie die direkte Beziehung zu den Gästen in dieser Krise, hochwertige Fernweiterbildung, Benchmarking mittels der H-Benchmarking-Software für die Tourismus- und Marketingorganisationen sowie für die einzelnen Hotels und die kostenlose Gästekarte. Darüber hinaus werden auch steuerliche und rechtliche Aspekte behandelt. Darüber hinaus ist uns die Koordinierung einer einheitlichen Gangart für alle Tourismusunternehmen ein großes Anliegen.“
Dieses Interview wurde am 16.04.2020 geführt.
… aus der Sicht von
Florian Phleps
Geschäftsführer Tirol Werbung GmbH
„Zur Wiederankurbelung des Tourismus in Tirol haben wir uns auf eine neue Kampagne konzentriert, welche mit der zentralen Botschaft „Es geht Bergauf“ Mitte Mai in Österreich anläuft. Für den Sommerstart beziehen sich die Maßnahmen für den Tiroler Tourismus vor allem auf einheimische Gäste. Unter anderem stellen die geschlossenen Grenzen und Reisebeschränkungen eine Herausforderung für den Tourismus dar und sobald es zu klaren Rahmenbedingungen kommt, beispielsweise zu Grenzöffnungen oder der Reisefreiheit in den Nachbarländern, sind wir auch darauf vorbereitet.
Die neue Kampagne der Tirol Werbung setzt auf Aufbruchstimmung. Dabei werden die zentralen Stärken Tirols, die Berge und die Natur, hervorgehoben. Diese waren bisher schon die Urlaubsmotive der Sommergäste und werden auch zukünftig eine tragende Rolle spielen. Hierbei setzen wir gezielt auf das breite Angebot von Aktivitäten und auf das Wandern bzw. Mountainbiken.

„Es geht Bergauf“ lautet die Kampagne von Tirol Werbung zur Wiederankurbelung des Tourismus
Ein wichtiger Punkt des Konzeptes ist für uns die Anwendbarkeit und die Zusammenarbeit mit Partnern wie Tourismusverbänden oder Betrieben, die sich der zur Verfügung gestellten Text- und Gestaltungsvorlagen bedienen können. Mit dem Zugang zu Angeboten und Produkten aus der Region über unsere Webseite unterstreichen wir das Gesamtkonzept der Kampagne.
Nachdem in der ersten Phase der Fokus auf reiner Informationsvermittlung und emotionaler Verbundenheit basierte, möchten wir im nächsten Schritt das touristische Marketing wieder hochfahren. Außerdem wird erneut die Wetteroffensive (WOT) mit den Tiroler Regionen gestartet. Diese Initiative zeigt zum Wetter passende Aktivitäten im TV und über digitale Formate.
Die Kampagne wird vor allem über die sozialen Medien punktgenau an interessierte Zielgruppen verbreitet. Damit soll ein guter Neustart der touristischen Kommunikation gelingen. Auch durch eine breite Branchenkooperation mit den Tourismusverbänden, den Tiroler Regionen und auf nationaler Ebene soll das Vorhaben eine möglichst große Wirkung erzielen.“
Dieses Interview wurde am 06.05.2020 geführt.
… aus der Sicht von
Paolo Artelio
Präsident des Vermarktungskonsortiums Garda Veneto
„Zur Bewältigung der durch den Covid-19-Notstand ausgelösten Krise hat die Handelskammer von Verona den strategischen Plan „RipartiVerona“ (NeustartVerona) vorgestellt. Mit einem geplanten Budget von 30 Millionen Euro und dem vorgesehenen Zeitraum von drei Jahren soll dieser Plan den Unternehmen und Betrieben der Region die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit erleichtern. Ein Teil dieser finanziellen Mittel wird zur Förderung des Reiseziels am venezianischen Ufer des Gardasees verwendet. Besonders kritisch ist für diese Destination die Tatsache, dass 85 % ihrer Gäste aus nordeuropäischen Ländern kommen – insbesondere aus Deutschland, Österreich und Holland – während der Anteil an italienischen Touristen nur 13 % der Gesamtzahl ausmacht. Das stellt uns in der aktuellen Situation vor eine große Herausforderung, da die Grenzen ohne genaues Öffnungsdatum geschlossen sind und ein starkes Ungleichgewicht herrscht, weil der Gardasee mehr als europäisches Reiseziel angesehen wird und weniger als nationales.

Am Gardasee setzt man nun auch verstärkt auf den Inlandstourismus, sprich auf den italienischen Gast
Aus diesem Grund ist es notwendig, mit einem gut durchdachten Marketingplan den Standort zu einem attraktiven Ziel für den Inlandstourismus zu machen. Laut Paolo Artelio, Präsident des Vermarktungskonsortiums Garda Veneto, könnte es durchaus passieren, dass man sich den gesamten Sommer nicht frei in Europa bewegen darf. Dieses ungünstige Szenario macht es notwendig, dass sich die am Gardasee gelegenen Regionen zusammenschließen und diesen Badeort gemeinsam beliebt machen. Diese Zusammenarbeit würde die Werbemaßnahmen viel effektiver und wirkungsvoller gestalten als ein Wettlauf gegen die Zeit einer jeden einzelnen Region.“
Dieses Interview wurde am 07.05.2020 geführt.