MANAGEMENT

Nun das Wort den Hoteliers

Wie namhafte Unternehmerinnen und Unternehmer aus Südtirol, dem Trentino und Tirol die Herausforderung Fachkräftemangel bewältigen, erfahren Sie in drei exklusiven Interviews.

Mitarbeiter sind die besten Recruiter

Derik Detone
Hotel Croce Bianca – Leisure & Spa Hotel
Canazei (Trient)

Ihr Hotel hat eine sehr lange Tradition: Ihre Gastfreundschaft geht auf das Jahr 1869 zurück. Wie haben Sie den „Neustart“ nach den diversen Lockdowns in Bezug auf den Fachkräftemangel erlebt?

Sicherlich hat uns die Pandemie vor eine große Herausforderung gestellt, aber ich kann mich glücklich schätzen, da ich nur eine geringe Personalfluktuation hatte. Obwohl die Wintersaison praktisch übersprungen wurde, konnte ich im Laufe der Zeit das Vertrauen zu meinen Mitarbeitern aufbauen und mein Team so zusammenzuhalten, wie es nun schon seit Jahren ist.

Was genau meinen Sie mit „Vertrauen aufbauen“?

Wir Hoteliers denken immer zuerst daran, die Gäste zu verwöhnen und vergessen dabei die Mitarbeiter, stellen sie doch den Mehrwert in unseren Strukturen dar. In den letzten Jahren habe ich stark in die ihnen zur Verfügung stehenden Infrastrukturen – wie Unterkünfte oder Räume für ihre Freizeit – investiert, um einen gewissen Komfort zu garantieren. Darüber hinaus habe ich versucht, meine Mitarbeiter immer verantwortungsbewusster zu machen, indem ich sie in verschiedene interne Projekte oder in gewisse Geschäftsentscheidungen miteinbezogen habe. So entstehen ein gutes Miteinander und ein starker Teamgeist, die auf gegenseitigem Respekt basieren. Allerdings muss ich zugeben, dass auch ich einige Schwierigkeiten hatte, qualifiziertes Personal zu finden.

Fotocredit: Mattia Rizzi

In welchen Bereichen sind Sie besonders auf Schwierigkeiten gestoßen?

Für die Sommersaison hatten wir einen Chef de Partie gebraucht. Es schien wirklich ein unmögliches Unterfangen zu sein. Die größte Schwierigkeit bestand darin, Bewerbungen von Personen mit den richtigen Qualifikationen zu bekommen. Weil ich letztlich niemanden fand, hielt ich das À-la-carte-Restaurant geschlossen und setzte die verfügbaren Arbeitskräfte in den anderen Abteilungen des Hotels ein, um meinen Standard an Qualität zu gewährleisten. Wir wissen gut, dass es in unserer Branche sehr wichtig ist, qualifizierte Mitarbeiter zu haben. Zum Glück hat sich die Situation Ende Juli entspannt und ich habe doch noch eine geeignete Person für die Aufgabe gefunden. Bei der Personalsuche habe ich eine eigene Technik, die bisher immer erfolgreich war, außer eben in diesem Frühjahr.

Erzählen Sie uns von Ihrer Recruiting-Technik …

Die Mitarbeiter selbst sind die besten Recruiter. Ungefähr 70 % meines Personals wurden mir von meinen Angestellten empfohlen und vorgestellt. Aus diesem Grund hatte ich immer hervorragende Mitarbeiter … denn wer könnte einen Arbeitsplatz besser weiterempfehlen, als eine Person, die dort bereits mit Leidenschaft und Hingabe tätig ist?

Dieses Interview wurde am 30.08.2021 geführt.

 

 

Eine Frage der Balance

Katharina Pirktl
Alpenresort Schwarz
Mieming (Tirol)

Seit 20 Jahren kümmern Sie sich um Personalwesen und Qualitätsmanagement in Ihrem Haus. Wie hat sich Ihre Aufgabe im Laufe der Jahre verändert?

Veränderungen gab es eigentlich laufend, was so auch gut ist. Ich sehe ein Unternehmen wie ein System, das immer einer gewissen Bewegung ausgesetzt ist, wenn Menschen einen Betrieb verlassen oder neu dazukommen. Die Balance zu halten und Ruhe in dieses System zu bringen ist eine große Challenge. Worauf wir mehr Acht geben müssen, ist das Thema rund um den Generationswechsel, das auch im Kontext des Fachkräftemangels eine Rolle spielt.

Was meinen Sie damit?

Wir müssen uns bewusst sein, dass die Generation der Babyboomer, die für viele Jahre mit ganz anderen Bedürfnissen in dieser Arbeitswelt tätig war, nun durch den Eintritt in die Rente ausscheidet. Bei unseren Recruiting-Prozessen müssen wir uns bewusst sein, dass wir jetzt ein ganz anderes Zielpublikum ansprechen: junge Generationen, die der Arbeitswelt mit einer anderen Philosophie entgegentreten. Diese neuen Wünsche zu erkennen ist die große Herausforderung eines Arbeitgebers. Heute bewirbt sich definitiv der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer. Früher wurde eine Stelle ausgeschrieben und es trudelten viele Bewerbungen ein, jetzt ist es umgekehrt. Man muss wirklich viel investieren – vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene –, um aus dem eigenen Betrieb ein attraktives Arbeitsumfeld zu machen.

Fotocredit: Bernhard Stelzl

Die Devise „der Kunde ist König“ ist also eigentlich schon ein bisschen überholt?

Ja. Mitarbeiter sind für mich ehrlich gesagt noch wichtiger als Gäste. Sie sind immer da und prägen ein Unternehmen, indem sie durch ihr Wesen zum Gleichgewicht und Erfolg beitragen. Hierarchien halten wir bei uns sehr flach, denn ich bin davon überzeugt, dass Ausgeglichenheit auf allen Ebenen wichtig ist. Unabhängig, ob Gast oder Mitarbeiter geht es mir darum, in meinem Unternehmen einen Raum für Begegnung, Wohlbefinden und Entwicklung zu bieten.

Sie sind ausgebildete EFQM-Managerin. Was kann man sich darunter vorstellen?

Unter dem Begriff versteht man ein Qualitätsmodell, welches im Grunde jedes Unternehmen – unabhängig von seiner Größe – umsetzen kann. Zentral ist hier die kontinuierliche Selbstbewertung und die Definition einer klaren Unternehmensvision mit ihren Werten. Daran haben auch wir gearbeitet und unsere Mitarbeiter – unter der Leitung eines externen Coachs – in einen spannenden Prozess involviert. Insbesondere haben wir für uns das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus gestellt und verpflichten uns festgelegten Forderungen nachzukommen.

Sie sind 4-fache Mutter. Was sagen Sie zum Thema Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, was insbesondere für Frauen eine große Herausforderung ist.

Dem ist so. Die Herausforderung ist groß und Frauen müssen taff sein, um ihr standzuhalten. Unsere Aufgabe und jene der Institutionen sehe ich darin, Frauen hier zu unterstützen. Ich bin ein großer Frauenfan. Wir haben zum Glück durch die Gemeinde gute Betreuungsangebote. Als Arbeitgeber versuchen wir mit Flexibilität und Empathie zu handeln. So darf sich zum Beispiel jeder individuell sein Stundenkontingent festlegen und mit einer Tagesmutter hier im Hotel entlasten wir die Eltern in unserem Team, die sonst keine Betreuungsmöglichkeiten hätten.

Dieses Interview wurde am 17.09.2021 geführt.

 

 

Lebensschule Hotellerie

Ulrike Spögler
Giardino Marling
Marling (Südtirol)

Seit 33 Jahren arbeiten Sie in Ihrem Betrieb. Wie hat sich der Fachkräftemangel entwickelt?

Noch nie stand ich vor einem so großen Problem wie in diesem Jahr:
Mehrere Mitarbeiter, mit denen ich fest gerechnet hatte, sind unerwartet
abgesprungen. Persönlich kann ich schwer nachvollziehen, warum diese Branche so verpönt ist. Einerseits sehnen sich alle danach, wieder in Restaurants zu essen oder sich in SPA-Oasen verwöhnen zu lassen, aber dass es an allen Ecken an Personal fehlt, verstehen nur wenige. Auch kann es nicht an der Entlohnung
liegen, denn Gehälter wie jene in unserer Branche sind in anderen Wirtschaftszweigen bei gleicher Qualifikation schwer zu finden. Klar erfordern diese Jobs etwas mehr an Flexibilität, was die Arbeitszeiten betrifft,
und die Work-Life-Balance wird vor allem für junge Menschen immer wichtiger. Allerdings werden wir in Zukunft an Modellen wie einer 5-Tage-Woche sicher nicht vorbeikommen.
Ich sehe in der Berufswelt Gastronomie eine einzigartige „Lebensschule“. Ein Jahr Erfahrung würde ich jedem jungen Menschen empfehlen.

Wie haben Sie Ihren Personalmangel behoben?

Indem ich alle verfügbaren Ressourcen bestmöglich eingesetzt habe und überall, wo es gefehlt hat – vom Service beim Frühstück bis in der Wäscherei –, selbst Hand angelegt habe. Bei der Personalsuche haben wir vermehrt auf Online-Recruiting-Portale und eigene Social-Media-Kanäle gesetzt, da sie nicht nur aus Kostengründen, sondern auch
aufgrund ihrer Reichweite einen Mehrwert darstellen. Ständig nach neuem
Personal suchen zu müssen, ist eine immense Herausforderung, der wir so noch nie standhalten mussten. Von Seiten der Politik habe ich das Gefühl, dass unsere Branche seit Ausbruch
der Pandemie schon sehr im Stich gelassen wurde und oft große Kompromisse
eingehen musste. Nun steht das Thema Green Pass im Raum und das Damoklesschwert hängt erneut über unseren Köpfen.

Fotocredit: Andreas Marini & Daniel Zangerl

Den Menschen hinter dem Mitarbeiter zu kennen, ist Ihnen wichtig.
Wie gestalten Sie diese persönliche Beziehung?

Ich suche das Gespräch zu meinen Mitarbeitern.
So nehme ich mir zum Beispiel einmal im Monat – sobald der Lohnstreifen übergeben wird – diesen Moment für jeden. Auch versuche ich schon beim Vorstellungsgespräch zu verstehen, welche Bedürfnisse – auch auf persönlicher Ebene – diese Person hat.
Die Liebe für den eigenen Beruf und das gewisse Maß an Eigenmotivation mussaber ganz einfach gegeben sein. Wann immer es möglich ist, versuche ich den
Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht zu werden. Ganz konkret habe ich in diesem Sommer ein Kindermädchen für die Kinder einiger meiner Angestellten hier im Haus organisiert, da sie sonst ein Betreuungsproblem gehabt hätten. Dieses Geben beruht auf
Gegenseitigkeit und führt zu einem schönen zwischenmenschlichen Klima. Auch bin ich immer sehr darum bemüht, das Feedback unserer Gäste an mein Team weiterzugeben.

Was macht neben dieser Menschlichkeit in Ihren Augen eine gute
Arbeitgebermarke in der Hotellerie aus?

Das Um und Auf ist ein roter Faden, der das Haus prägt und allen Menschen, die dort arbeiten, Orientierung gibt. Das führt zu Ruhe und Ordnung, was sich
wiederum positiv auf das Arbeitsklima auswirkt. Das Thema Fortbildung gehört für mich ebenso dazu, da es nicht nur den Mitarbeiter in seiner Entwicklung, sondern auch den Betrieb langfristig weiterbringt.

Dieses Interview wurde am 08.09.2021 geführt.