Die Arbeit im Gastgewerbe ist vielfältig, keine Frage. Und doch wenden sich immer mehr Menschen von der Tourismusbranche ab. Wir haben mit zwei Personen gesprochen, die sich bereits in jungen Jahren der Gastronomie verschrieben haben. Miriam Kargruber (25), Serviceführungskraft im Hotel Alpen Tesitin, kann sich keinen schöneren Job vorstellen. Auch Manuel Pechlaner (42) ist von der Gastronomie fasziniert; trotzdem hat er sich dazu entschlossen, ihr den Rücken zuzukehren.
Die Überzeugte: „Ich liebe meinen Job.“
Frau Kargruber, wie kamen Sie zu Ihrem Job als Serviceführungskraft?
Ich wollte immer schon in den Tourismus einsteigen. Der Kontakt mit Menschen liegt mir am Herzen und ich habe stets von einer abwechslungsreichen Arbeit geträumt. Im Tourismus, vor allem im Service, bin ich fündig geworden. Ich habe die Hotelfachschule in Bruneck, Südtirol, besucht und meine Praktika im Hotel Quelle in Gsies absolviert. Seit 2018 arbeite ich im Hotel Alpen Tesitin.
Was mögen Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Ich liebe meinen Job. Ich habe Action und Bewegung und bin ständig in Kontakt mit Menschen. Es ist zwar mitunter ein richtiger Knochenjob, aber man trifft auf herzliche Gäste, die alle Anstrengungen wieder wettmachen. Außerdem bin ich Teil eines Top-Teams.
Es gibt allerdings eine Entwicklung, die mich nicht so freudig stimmt und die ich in den letzten Jahren selbst beobachten konnte. Die Hotels in Südtirol werden immer größer. Kapazitäten werden aufgestockt. Der Nachteil: Der Service leidet. Wenn immer mehr Gäste kommen, die Zahl der Angestellten aber gleich bleibt, sinkt die Qualität und es bleibt oft keine Zeit mehr für den Austausch mit den Gästen.
Arbeiten, wenn andere ihre Freizeit genießen. Ist das nicht schwierig?
Im Alpen Tesitin wird eine super Work-Life-Balance geboten. Wir arbeiten 40 Stunden an fünf Tagen die Woche. Alle Überstunden werden aufgeschrieben und wir dürfen selbst entscheiden, ob wir diese ausgezahlt bekommen oder als Urlaub am Ende der Saison mitnehmen möchten, denn wir haben alle eine Jahresstelle. Das schätze ich sehr. In den Gastbetrieben ist das eher eine Seltenheit. Außerdem haben wir die ganze Saison über einen fixen Arbeitsplan.
Sie sind gerade in Mutterschaft. Lässt sich, Ihrer Meinung nach, die Arbeit im Gastgewerbe gut mit dem Familienleben vereinbaren?
Ich denke, dass gerade für das Familienleben die Arbeit im Alpen Tesitin sehr vorteilhaft ist. Ich möchte nach meiner Mutterschaft anfangen, erstmal nur am Abend zu arbeiten. So kann ich untertags Zeit mit meinem Kind verbringen. In anderen Branchen, in denen nur untertags gearbeitet wird, hat man weniger Flexibilität.
Im Gastgewerbe wird häufig über schlechte Arbeitsbedingungen gesprochen, aber bei Ihnen klingt das so, als wären Sie rundum zufrieden.
Ja, das bin ich. Im Alpen Tesitin fühle ich mich als Mitarbeiterin wertgeschätzt. Das beginnt schon bei kleinen Aufmerksamkeiten wie einem kleinen Geschenk zu besonderen Anlässen. Außerdem haben wir immer die Möglichkeit, uns fortzubilden.
Ich bin der Meinung, dass man grundsätzlich nicht schlecht über die Tourismusbranche denken sollte. Die Jugendlichen brauchen sich keine Sorgen zu machen, denn es sind tolle Jobs, die da auf sie warten. Man muss nur Vertrauen haben und das Ganze mit der Einstellung anpacken, dass man im Betrieb vielleicht auch selbst etwas verändern kann.
Da wir gerade von Jugendlichen sprechen: Sie sind nicht nur als Serviceführungskraft tätig, sondern auch als Jugendcoach. Was darf man sich darunter vorstellen?
Als Jugendcoach bin ich für unsere Lehrlinge und Praktikanten zuständig. Ich zeige ihnen die verschiedenen Bereiche, bilde sie aus und setze mich auch immer wieder für Besprechungen mit ihnen zusammen. Ich gebe den Jugendlichen nicht nur mein Wissen weiter, sondern versuche auch, ihnen meinen Beruf schmackhaft zu machen, denn die Arbeit im Gastgewerbe ist einfach bereichernd.
Der Aussteiger: „Es war eine Vernunftsentscheidung.“
Herr Pechlaner, wie haben Sie Ihren Weg in die Gastronomie gefunden?
Mich hat das Gastgewerbe immer schon fasziniert. Als Junge stand ich bereits gerne in der Küche und so bin ich durch meine Lehre zum Koch in die Gastronomie eingestiegen. Man hat im Gastgewerbe – egal in welcher Sparte – so unglaublich viele Möglichkeiten wie wohl in keinem anderen Lehrberuf. Für mich spielte der Aspekt, international arbeiten zu können, immer eine wichtige Rolle – sagen zu können: Wenn ich will, kann ich mein Zeug zusammenpacken und mir irgendwo etwas anderes anschauen.
Sie haben in der Tat in verschiedenen europäischen Ländern gearbeitet. Neben Südtirol, Tirol und Deutschland waren Sie auch in Schottland tätig. Konnten Sie Unterschiede feststellen?
Die Arbeitsbedingungen in Schottland unterscheiden sich stark von jenen in Südtirol. Eine 6-Tage-Woche ist für die Angestellten in Schottland unvorstellbar. Ich habe insgesamt in drei verschiedenen Betrieben gearbeitet und in jedem hatte ich eine 5-Tage-Woche. Zudem wurde Wert daraufgelegt, dass man am Sonntag auch mal frei hatte. In Südtirol hingegen war es oft regelrecht ein Gebettele, wenn man mal am Sonntag frei brauchte.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, sich von der Gastronomie abzuwenden?
Mich von der Gastronomie abzuwenden, war nie ein ernstzunehmender Gedanke – bis Covid kam. Am Anfang des zweiten Lockdowns habe ich es noch locker genommen, aber als es Ende Februar immer noch hieß: „verlängern, verlängern, verlängern“, habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen. Das Gastgewerbe war immer ein bombensicherer Arbeitgeber. Irgendwo hat man immer etwas gefunden. Und plötzlich, quasi über Nacht, wurde weltweit der Sektor zugesperrt – ohne Plan und ohne Zukunftsaussichten. Das war beängstigend. So ist der Gedanke, sich nach etwas anderem umzusehen, langsam, aber beständig gewachsen. Es war eine Vernunfts-, keine Herzentscheidung. Ohne Pandemie wäre es wahrscheinlich nicht passiert, denn ich finde die Gastronomie nach wie vor wahnsinnig spannend und bereichernd.
Wo arbeiten Sie jetzt?
In einer Bank am Schalter. Ich habe eine dreimonatige Ausbildung gemacht und werde auch weitere in Anspruch nehmen. Es ist komplett etwas anderes und es war nicht leicht umzusteigen, aber die Arbeit macht mehr Spaß als ich je gedacht hätte. Ich liebe den Kontakt mit Menschen. Früher waren es Gäste und jetzt sind es eben Kunden. Ich glaube, Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, trainieren sich über die Jahre eine gewisse Flexibilität an. Das ist sicherlich hilfreich.
Wissen Sie von ehemaligen Arbeitskollegen, die sich ebenfalls für einen Ausstieg entschieden haben?
Anfang September war ich in Innsbruck und habe mich dort mit ehemaligen Arbeitskollegen getroffen. Wir waren 18 Leute und von diesen 18 Leuten arbeiten heute noch drei in der Gastronomie im weitesten Sinne. Ich sehe da ein großes Problem.
Inwiefern?
Es kommen mehrere Faktoren zusammen. Im Laufe der Pandemie haben sich viele Leute etwas anderes gesucht – zum Teil gezwungenermaßen. Ich glaube auch, dass die Pandemie die Jugendlichen beeinflusst hat. Ein heute 16-Jähriger kriegt natürlich mit, dass die Angestellten im Gastgewerbe monatelang weniger oder gar nichts mehr verdient haben. Die Abbruchquote unter den Berufseinsteigern war außerdem immer schon hoch. Dazu kommen noch die ungeregelten Arbeitszeiten, das Arbeiten am Wochenende und an den Feiertagen. Das alles hat negative Auswirkungen auf das soziale Umfeld. Ich habe das Gefühl, dass gerade für junge Menschen der Freundeskreis einen hohen Stellenwert hat und sobald dann eine feste Partnerschaft oder eine eigene Familie dazukommt, wird die Vereinbarkeit mit dem Job unglaublich schwierig.
Glauben Sie, Sie werden jemals wieder in die Gastronomie zurückkehren?
Spontan würde ich sagen: nein. Aber sag niemals nie. Ich möchte mich da nicht festlegen. Sollte es wirklich etwas geben, das mich anspricht und wo ich für mich eine Zukunft sehe, dann könnte ich es mir vielleicht sogar vorstellen. Ganz verloren hat mich die Gastronomie wohl noch nicht.