Davon ist Erika Nestl überzeugt. Seit 59 Jahren führt sie das Spa & Relax Hotel Erika in Dorf Tirol – mit Erfolg. Dort, wo einst eine einfache Pension mit 80 Betten stand, steht heute ein 5-Sterne-Haus. Schon von klein auf wusste sie, was sie wollte: Wirtin sein, so wie ihre Mutter. Heute stellt sie sich die Frage: „Herrschaftszeiten, warum sagt nie jemand, dass das Arbeiten in der Hotellerie auch Spaß macht?“
Die Rumpelstilzchen-Geschichte
„Meine Mutter stammte aus dem Parkhotel in Sterzing, mein Vater war Kaufmann. Er sagte zu ihr: ‚Meine Kinder wachsen nicht im Gasthof auf.‘ Sie stimmte zu – mit einem Vorbehalt: ‚Wenn unser jüngstes Kind aus dem Gröbsten raus ist, dann möchte ich, dass du in Meran eine Immobilie kaufst.‘ Meran deshalb, weil sie früher im Grand Hotel Emma praktiziert hatte. Und das jüngste Kind war ich. 1959, ich ging in die 2. Klasse Grundschule, sagte meine Mutter zu meinem Vater: ‚Es wird Zeit, dass du dein Versprechen einlöst.‘ Wir sahen uns eine Immobilie in Dorf Tirol an. Meine Mutter meinte: ‚Hier nicht, das ist am Ende der Welt!‘ Ich hingegen habe meinen Vater bei der Hand gezogen und gesagt: ‚Das kaufen wir!‘ Ich war verliebt und besessen von dem Haus. Also hat es mein Vater erstanden und die Pension Erika nach mir benannt.“
Frau Nestl, in der Südtiroler Hotellerie ist das Hotel Erika quasi eine Institution. Im Jahre 1960 als Pension eröffnet, steht heute an derselben Stelle ein renommiertes 5-Sterne-Hotel. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Das Erfolgsgeheimnis hat mir meine Mutter mitgegeben. Sie war leidenschaftliche Wirtin und meinte immer: „Wenn man in diesem Beruf erfolgreich sein möchte, muss man Menschen mögen.“ Die große Kunst, um als Hotelier erfolgreich zu sein, besteht darin, auf Wünsche einzugehen und jeden wichtig zu nehmen. Im Leben muss man zuerst geben und dann kommt’s automatisch zurück. Bis heute überkommt mich ein Glücksgefühl, wenn ich ins Hotel komme. Vielleicht habe ich eine Macke, aber was soll’s …

„Zu meinen Mitarbeitern sage ich immer: Bitte zieht nicht krampfhaft die Mundwinkel nach oben. Seid ihr selbst.“
Sie haben es selbst angesprochen: In der Hotellerie dreht sich alles um Menschen, sprich um Gäste, aber auch um Angestellte. Derzeit herrscht in Südtirol Fachkräftemangel. Warum ist es so schwer, gute Mitarbeiter zu finden?
Ganz wichtig in jedem Beruf ist die Wertschätzung des Unternehmers gegenüber dem Mitarbeiter. Man muss Angestellten die Möglichkeit geben, zu wachsen und sich mit dem Betrieb zu identifizieren. Und das tun sie nur, wenn sie es vorgelebt bekommen. Ich habe viele tolle junge Menschen kennengelernt, die bei uns ihre Lehrjahre verbracht und dann die Flügel ausgebreitet haben. Heute führen sie selbst Betriebe, und ich freu mich darüber. Was mich aber manchmal mit Sorge erfüllt, ist, dass unserem Beruf nicht immer das Beste nachgesagt wird. Daran sind wir auch selbst schuld. Wir müssen zeigen, dass Berufe in der Hotellerie Freude machen. Ich bin oft entsetzt – auch im Gespräch mit Kollegen – wenn in jedem Satz einmal das Wort „Stress“ vorkommt und beim dritten Satz dann „Burnout“. Herrschaftszeiten, warum sagt nie jemand, dass es auch Spaß macht? Stress wäre für mich, wenn ich vor der Tür warten müsste, dass jemand kommt.
Wie passt das eigentlich alles unter einen Hut: Familie und Beruf?
Als Frau ist es nicht immer einfach. Wenn ich mich zurückerinnere, hatte ich manchmal ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Sehr viel habe ich meinem Mann zu verdanken. Er war immer da, um mir den Rücken zu stärken. Es gab Tage, Wochen, manchmal auch Monate, in denen wir wenig Zeit mit den Kindern verbringen konnten. Deshalb haben wir einen Familientag eingeführt, manchmal durften unsere Kinder deshalb auch mal die Schule schwänzen – das darf man eigentlich gar nicht laut sagen…
Was zählt ist also Teamarbeit?
Genau. Zudem haben wir die Kinder ganz früh in den Betrieb eingebunden und sie in verschiedene Bereiche reinschnuppern lassen. Wir haben sie nie gezwungen. Wichtig ist, dass Freude da ist. Ich bin jetzt sehr vorlaut, wenn ich sage, das größte Erfolgsrezept ist, dass die Familie zusammenhält, sich gegenseitig stützt und ergänzt. Wir alle haben Stärken und Schwächen.

Es grünt so grün im Hotel Erika. Angefangen beim Garten bis hin zur Fassade.
… und Südtirols Stärken sind die Familienbetriebe?
Das ist, was wir den großen Hotelkonzernen entgegenhalten können. Es gibt heute wunderschöne Betriebe und Destinationen. Plätze, die auch leichter zu erreichen sind, aber ich höre immer wieder wie Gäste beim Abschied sagen: „Danke, ich habe hier so viel Energie tanken können.“ Das geht nur, wenn die Harmonie im Haus stimmt. Ich bin überzeugt: Einem Gast kann man nichts vormachen und das soll man auch nicht.
Sie haben die Erreichbarkeit angesprochen. Wie problematisch schätzen Sie die Verkehrssituation in Südtirol ein?
Ich persönlich bin der Meinung, dass wir problemlos erreichbar sein müssen. Ich sehe ja, wie die Gäste bei uns ankommen – das ist der Wahnsinn! Warum sollen wir nicht einen Flughafen haben? Ansonsten müssen wir uns über Alternativen den Kopf zerbrechen, aber um weiter konkurrenzfähig zu bleiben, braucht es eine gute Lösung. Wer ist denn heute noch bereit, so lange anzureisen? Und bei der Rückreise ist dann der ganze Urlaub wieder dahin. Da darf man nicht an der Zeit vorbeileben.
Vor zehn Jahren gab es nur wenige 5-Sterne-Häuser in Südtirol. Mittlerweile sind es über 30. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Ich bin kein Sterne-Mensch. Die Gäste sind meine Sterne. Wenn sie leuchten, dann geht es mir gut. Wir haben bewusst keine Sterne auf der Fassade angebracht, aber letztendlich muss das jeder selbst entscheiden. Fest steht: Gäste verlangen Qualität, aber das kostet eben … Darum beneide ich die jungen Leute auch nicht, sie haben es viel schwerer. Wir durften noch Träume haben und konnten sie viel einfacher verwirklichen. Heute gibt es da Bürokratie, Auflagen etc. Wir alten „Gigger“ müssen uns bewusst werden, dass sich die Zeiten ändern. Ganz nebenbei muss man mit dem heutigen Wohlstand gegen Neid und Engstirnigkeit ankämpfen. Ich persönlich freue mich aber für jeden Kollegen, der erfolgreich sein Haus weiterentwickelt.

„Wenn man als Hotelier erfolgreich sein möchte, muss man Menschen mögen.“ Erika Nestl
Stichwort Bauen: Das neue Raumordnungsgesetzt, das 2020 in Kraft tritt, sieht Einschränkungen für neue Hotelbauprojekte vor. Wie stehen Sie dazu?
Es gibt viele Betriebe und man kann nicht alle über einen Kamm scheren, aber man muss Möglichkeiten geben. Es ist auch nicht fair der Jugend gegenüber. Ein simples Beispiel: In den Meraner Lauben gibt es immer mehr große Kettenbetriebe – da kräht kein Hahn. Und wieso ist es so weit gekommen? Weil die Generationen nicht bereit waren, zu investieren. Sie haben nur Geld aus den Betrieben rausgezogen. Bei uns im Tourismus heißt es oft: „Schau mal, jetzt baut er schon wieder, dieser Größenwahnsinnige!“ Aber was will man machen? Wenn man nicht laufend dranbleibt, ist man weg vom Fenster! Darüber redet kein Mensch.
1961 entstand in der Pension Erika das erste Freibad in Dorf Tirol und heute steht da ein Hotel mit 2.000 m2 großem Wellnessbereich. Was ist alles notwendig, um vorne mit dabei zu sein?
Mein Vater und mein Bruder haben das Schwimmbad mit Schubkarren und Schaufel selbst ausgehoben. Sogar die Einheimischen kamen nachts heimlich, um zu schwimmen (lacht). Kurz gesagt: Man muss eben mit der Zeit gehen, aber es beginnt auch alles wieder rückläufig zu werden. Zurück zur Natur, ist ein ganz großes Thema. Wir haben versucht, das auch in unser Wellness-Konzept einzubinden. Ein immer größerer Wellnessbereich war nie unser Ziel und ist es bis heute nicht. Was wir machen mussten, war die Einfahrt und neue Zimmer. Die Zeit bleibt eben nicht stehen…
Spa & Relax Hotel Erika
Zimmer: 70 |